Über den Strohvermummungsbrauch zur Faschingszeit
Ulrike Unger
Zugegeben, sie wirken schon ein bisschen wie aus einer anderen Welt, wenn sie behäbig und natürlich mit vielen Schaulustigen an ihrer Seite durch die Orte ziehen. Ihr Gang, ihr Aussehen erinnert an einen Bären. Die traditionellen Ernteprodukte, mit denen die Männer oder Frauen sich freiwillig in langwieriger, mühevoller Arbeit einkleiden lassen, haben den Wesen solche Bezeichnungen wie Erbsenbär, Strohbär oder Strohmann eingebracht. Für diese Ganzkörperkostümierung dient bevorzugt Futtererbsenstroh, Hafer-, Weizen- oder Roggenstroh. Als noch eine wenig industrialisierte Landwirtschaft weite Teile Deutschlands prägte, kannte man den Erbsenbär in vielen Dörfern. Stroh war in den bäuerlichen Lebensgemeinschaften allgegenwärtig.
Pirmin: Der Strohbär und sein Treiber, Karneval in Kripp
Voraussetzung für eine stabile Vermummung ist eine ausreichende Länge der benutzten Halme. Mit der zunehmenden Automatisierung der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg war dieser Zustand aber immer seltener zu verwirklichen, denn der Einsatz von Pestiziden und halmverkürzenden Mitteln sowie der Gebrauch von Mähdreschern machte es diesem vermutlich hunderte Jahre alten bäuerlichen Brauchtum schwer weiter zu existieren. Heute hat es sich vor allem in Thüringen, Hessen und im Badischen (etwa zur schwäbisch-alemannischen Fasnet in der Gemeinde Empfingen) erhalten. Auch in Bayern gibt es einige wenige Ortschaften, die diese Tradition pflegen. Der feste Halt beim Einbinden des Strohs um den Körper wird außerdem durch Sisalschnur gewährleistet. Zu früheren Zeiten wurde Roggenstroh, zu Seilen gedreht, nutzbar gemacht.
Ursprünglich sind die Strohvermummung und der sich daran anschließende Bettelzug (oder Heischegang) durchs Dorf eine Faschingsgepflogenheit. Vielen Menschen dürften Strohmann und Gefolgschaft heutzutage aber eher durch die Kirchweih oder andere Festtage des Kirchenjahres bekannt sein. Die Verknüpfung des Strohvermummungsbrauchs mit der Kirmes liegt wohl unter anderem daran, dass bei dieser auch der Bettelgang als fester Bestandteil des Festrituals etabliert ist.
Zu dem Vermummten gehört gewöhnlich ein Strohbärentreiber, der in einer dunklen Kluft mit Zylinder und Frack steckt und mit Seil und Peitsche ausgestattet ist, um den Bären zu führen. Die Assoziation mit einem Tanzbären gelingt in Anbetracht dieser Ausstattung schnell. Es ist bekannt, dass immer schon Gruppen von Spielleuten und Zirkuskünstlern durch Ortschaften zogen und dort auftraten. Sollten sich die Dorfbewohner irgendwann die Gestalt des Tanzbären zu Eigen gemacht haben und in ihre lokalen Gebräuche integriert haben? Auftritt und Aufmachung der heutigen Strohbärentreiber sprächen dafür. Oft wird bei den Stroheingekleideten auch von einer Personifikation des mittelalterlichen Wilden Mannes gesprochen, der im Volksglauben die ungezähmten, primitiven und negativen Kräfte des Menschen verkörperte.
Die Rolle des Strohbären in einem Faschingszug wird, teilweise bis heute, durch seinen unverzichtbaren Bestandteil dieser fröhlichen Gruppe definiert. So kann man ihn auch als Inbegriff des Narren deuten, dem alle Aufmerksamkeit zuteil wird. Er erschreckt zum Spaß die Neugierigen, die sich ihm nähern, am liebsten die jungen Mädchen und Frauen. Traditionell steht dem Strohvermummten nach dem Heischegang durchs Dorf der größere Anteil der gesammelten Gaben zu. Das gemeinschaftliche Verzehren derselben wird sicher als kulinarischer Festakt vor dem Anbruch der Fastenzeit zu verstehen sein.
Zum Abschluss des Umzugs wird das nassgeschwitzte Strohkostüm übrigens abgelegt und feierlich verbrannt.
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Textquellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Erbsenb%C3%A4r
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilder_Mann
http://narrenzunft-empfingen.de/index.php?option=com_content&view=article&id=29&Itemid=27
http://www.strohbären.de/
Bildquellen:
Andreas Praefcke: Poppelezunft Singen, Figur: Hooriger Bär Veranstaltung: Narrensprung beim Narrentreffen Meßkirch 2006; wikipedia
Pirmin: Der Strohbär und sein Treiber - Karneval in Kripp; wikipedia
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