Es war einmal ein Königreich Thüringen und das kam so: im 4. Und 5. Jahrhundert n. Chr. setzte die große Völkerwanderung in Europa ein. Viele Volksstämme waren angetrieben durch Hunger, Flucht vor Feinden oder auch der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen auf dem Weg in das von Rom beherrschte westliche Europa. Unter ihnen waren auch die Thüringer, die sich in der Mitte des heutigen Deutschlands niederließen. Schriftlich erwähnt wurden sie im Jahr 395 als „Toringi“ erstmals durch den römischen Autor Publius Flavius Vegetius Renatus. Sie bildeten ein eigenes Königreich, dessen Zentrum im Gebiet der Unstrut im heutigen Thüringen lag. Ihr König hieß Herminafried. Verbündet waren sie mit dem Reich der Ostgoten, die sich mit der Hauptstadt Ravenna in Teilen Italiens und im Balkangebiet niedergelassen hatten. Deren König war Theoderich, der als Sagengestalt „Dietrich von Bern“ bis in die heutige Zeit überliefert ist. Die Verbindung war so eng, dass Herminafried Theoderichs Nichte Amalaberga heiratete.
Nach Theoderichs Tod im Jahr 526 erlosch das Ostgotenreich und die Thüringer verloren ihren wichtigsten Bündnispartner. Das aufstrebende Volk der Franken nutzte die Schwächung Thüringens und fiel in das Land ein. In einer Schlacht an der Unstrut im Jahr 531 siegten die Frankenkönige Theoderich und Chlothar über die Thüringer und verleibten sich deren Reich ein. König Herminafried fiel drei Jahre später einem Mordanschlag zum Opfer.
Frankenkönig Chlothar entführte Herminafrieds Nichte Radegunde als Kriegsbeute ins Frankenreich und zwang sie, ihn zu heiraten. Später begab sie sich in die Obhut der Kirche und gründete das Kloster Poitiers. Bis heute wird sie in Frankreich als Wohltäterin und Heilige verehrt.
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Textquelle: Raßloff, Steffen: Geschichte Thüringen, 2. Auflage, München, 2020.
Bildquellen:
Vorschaubild: Reich der Thüringer um 500 n. Chr., 2012, Urheber: Altaileopard via Wikimedia Commons CC0.
Bronzestatue Theoderichs (1512/13) von Peter Vischer d. Ä. in der Innsbrucker Hofkirche, 2004, Urheber: James Steakley via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Lesepult der Radegundis, Kloster Sainte-Croix in Saint-Benoît bei Poitiers, 2008, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.