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Autor Christoph Werner lässt den Weimarer Unternehmer und Verleger Friedrich Justin Bertuch zurückblicken auf das eigene Leben.

Ein Tag im Leben des Friedrich Justin Bertuch

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Die Hexereien der Kurfürstin Eleonore Erdmuthe Luise von Sachsen-Eisenach

Die Hexereien der Kurfürstin Eleonore Erdmuthe Luise von Sachsen-Eisenach

Hans-Joachim Böttcher

Prinzessin aus dem Geschlecht der Wettiner

Nicht auf Grund seiner Leistungen als sächsischer Herrscher, sondern seiner leidenschaftlichen Liebe zu einer Adeligen wegen und noch mehr seines mysteriösen Todes, nur 23 Tage nach dem seiner Mätresse, ging Kurfürst Johann Georg IV. von Sachsen in die Geschichte ein. Geboren 1668, als ältester Sohn des späteren Kurfürsten Johann Georg III., verliebte er sich noch sehr jung in Magdalena Sibylla von Neitschütz (die später zur Gräfin Rochlitz ernannt wurde), der er in zunehmend psychopatische Züge annehmender Liebe verfiel. In einem tiefen abergläubischen Treiben verfangen, also Liebeshexereien und dergleichen versuchte sie zusammen mit ihrer Mutter, der Generalin Neitschütz, ihren Geliebten zu beherrschen. Die von Johann Georg (ab 1691 Kurfürst von Sachsen) 1692 eingegangene Ehe mit der Witwe Eleonore Erdmuthe Luise von Sachsen-Eisenach (die durch eine erste Heirat Markgräfin von Ansbach geworden war!) musste so von Anfang an sehr unglücklich verlaufen.       

Eleonore von Sachsen-Eisenach
Eleonore von Sachsen-Eisenach

   Nach der Geburt einer gemeinsamen Tochter mit Sibylla wuchs die Liebe von Johann Georg zu dieser weiter an. Schon dadurch, aber noch mehr durch einen seiner Gemahlin zur Last gelegten angeblichen Giftanschlages auf seine Geliebte, verschlechterte sich für sie die Situation immer mehr. Denn der Hass und die Demütigungen von Johann Georg gegen sie stiegen ins unermessliche an. So verschärften sich nicht nur die Wortwechsel zwischen ihnen beiden stetig. Sondern, er vergaß sich in seinem Jähzorn zunehmend öfter und wurde dann gegen sie gewalttätig. Verzweifelt wird Eleonore Erdmuthe Luise so manche Träne vergossen und gegenüber vertrauten Hofleuten ihr Schicksal bejammert haben. Wie könnte man ihr nur beistehen und helfen wird sich mancher von ihnen mitleidvoll gedacht haben.        

   Das Gerede verschiedener Personen aus dem Umfeld der Neitschützdamen über deren stetig praktizierte Hexereien hatte es mit sich gebracht, dass darüber bei Hofe getuschelt wurde. Dadurch kamen diese Machenschaften auch dem Personal von Eleonore Erdmuthe Luise zu Gehör. Aus Mitleid entschlossen sich schließlich einige ihrer Leute, ihr ebenfalls mit Zauberpraktiken beizustehen. Denn sie glaubten einfältig, dass die gegen die Kurfürstin angewandte Magie nur durch Gegenhexerei bekämpft werden könne. Offenbar versuchte das Hofpersonal anfänglich selbst aus eigenem Wissen heraus zu handeln, indem es allgemein im Volksglauben bekannten Hokuspokus durchführte. Wobei es sich dabei im Detail handelte blieb unbekannt.  

Blick zum oberen Schloss in Greiz
Blick zum oberen Schloss in Greiz

   Die völlig verzweifelte Kurfürstin wusste über das geheime Wirken ihrer Getreuen Bescheid und begründete darauf naiver Weise ihre einzige Hoffnung. Aufgeregt berichtete sie ihrer Mutter Johannetta von Sachsen-Eisenach sowie insbesondere ihrer Schwester Prinzessin Friederike von den Aktivitäten. Ebenfalls erschreckend tief im Aberglauben befangen, bestärkten die sie, nicht nur in dem Tun fortfahren zu lassen, sondern gaben ihr in mehreren Briefen auch noch weitere Hexerei-Ratschläge. Als Kurfürstin war sie natürlich nicht in der Lage, deren Umsetzung zu betreiben. Das übernahm ihr Kammerdiener Johann Thomas Koch, dem sie anscheinend völlig vertraute. Sie wies ihn an: „Er möchte es machen, so gut er könnte, sollte nur nichts davon gedenken, damit sie dermaleinst zu dem Kurfürsten sagen könnte, dass sie davon nichts gewusst". Die finanziellen Mittel für das geheime Werk stellte zweifellos Eleonore Erdmuthe Luise zur Verfügung.

Dom und Severikirche in Erfurt
Dom und Severikirche in Erfurt

   Aus welchen Gründen auch immer, wandte sich Koch mit der Bitte um Unterstützung an eine Frau Lindner. Gern übernahm sie die Aufgabe und begab sich erst einmal nach Greiz. Hier suchte sie den wegen seiner Schwarzen Künste in den entsprechenden Kreisen bekannten Scharfrichter Johann Melchior Vogel auf. Ihn bat sie, ein Mittel zur Verfügung zu stellen, durch welches die Liebe von Johann Georg zu Sibylla von Neitschütz zerstört werden würde. Da ihm dafür bei Erfolg das gewaltige Honorar von immerhin 400 Talern angeboten wurde, ließ sich Vogel nicht lange bitten. Er händigte der Lindnerin ein Räucherpulver und in einem Säckchen Kräuter aus, die den gewünschten Erfolg bringen sollten. Durch Bestechung einer Angestellten von Sibylla ließ man entsprechend der erhaltenen Anweisung zwei kleine Kräuterpäckchen unter ihrer Türschwelle zum Wohnzimmer und eines in ihrer Schnürbrust platzieren. Ein viertes wurde im Bett der Kurfürstin untergebracht. Mit dem erhaltenen Pulver erfolgte zudem ein Ausräuchern von deren Schlafzimmer, wodurch sich darin ein übler Geruch verbreitete.    Wie es die Ironie wollte, waren die Lindnerin sowie Vogel schon zuvor für die Frau Generalin Neitschütz beziehungsweise ihre Tochter intensiv tätig gewesen. So hatte er sie selbst mehrmals in Dresden aufgesucht und für viel Geld etliche Kräuter und dergleichen veräußert. Die sollten natürlich gerade die entgegengesetzte Wirkung verursachen, wie die sodann über die Lindnerin an Koch weitergegebenen Mittel. Späterhin bekannte Vogel, beide Parteien mit seiner vermeintlichen Kenntnis geheimer Wissenschaften vorsätzlich betrogen zu haben.

Das Erfurter Gildehaus
Das Erfurter Gildehaus

   Die magischen Künste des Scharfrichters zeigten selbstverständlich nicht den erhofften Effekt. Darum entschloss man sich am Hofe von Eleonore Erdmuthe Luise, wohl wieder auf Ratschlag von ihrer Schwester, Hilfe bei einem anderen Hexer zu suchen. Dazu musste Koch zusammen mit der Lindnerin nach Erfurt reisen. Hier wirkte ein angemaßter Mediziner namens Wolf Francke, der besonders durch seine Kuren bekannt geworden war. Als ein völlig skrupelloser Mensch betätigte er sich allerdings auch auf dem Gebiet der Schwarzen Magie. Beim ersten Besuch versuchte Koch vorsichtshalber erst einmal Franckes angebliche Fähigkeiten zu erkunden. Verdächtiger Weise war dieser ganz gut über die Neitschützfrauen informiert. So gab er kund, dass die Generalin eine Hexe sei, wie es sonst kaum eine andere gäbe und gegen sie kaum etwas auszurichten wäre. Ihre Tochter, die zur Gräfin zu Rochlitz erhobene Sibylla, habe drei Teufel, wovon der mächtigste ihr in Frankfurt erworbener Fränzel sei. Den trage sie immer in einer kleinen goldenen Büchse in ihrer Schnürbrust und könne ihn aufziehen wie eine Uhr. Wenn auch sonst niemand gegen die beiden Frauen ankäme, versprach Francke, das doch versuchen zu wollen.    
Die Krämerbrücke in Erfurt
Die Krämerbrücke in Erfurt

   Nachdem Koch in Dresden Bericht erstattet hatte, beauftragte man ihn mit der Lindnerin erneut Francke aufzusuchen und um tatkräftige Hilfe zu bitten. Der behauptete nun erst einmal zu einer im Umfeld von Erfurt sich aufhaltenden Hexe reisen zu müssen. Die habe auf sein schon vorausschauend geäußertes Verlangen Fränzel telepathisch genötigt ihr vom Kurfürsten sowie der Gräfin Schamhaare zu verschaffen. Die müsse er abholen und sodann in Rauch aufhängen. Für die Reise gab Koch an Francke 60 Taler und später noch einmal 40 extra für seine Magie. Als raffinierter Schwindler wusste der natürlich, dass dieser ganze faule Zauber nicht helfen würde, die Liebe zwischen Johann Georg sowie Sibylla zu zerstören. So äußerte er schon vorsichtig vor der Reise, dass, selbst wenn die Geister von Sibylla wichen, ihre Mutter immer wieder dagegen etwas kochen täte. Der Kurfürst würde dadurch auf seine Gemahlin bis auf den Tod immer wütender werden. Er könne ihr allerdings nichts tun, selbst wenn er auf sie einhauen und stechen würde. Und wenn es zum letzten käme, würde der Kurfürst ganz rasend werden. In einer gewissen Weise sollte Francke mit diesen Prophezeiungen allerdings Recht bekommen.

   Um das magische Vorhaben direkt vor Ort weiter zu verfolgen, kam Francke, sicher gegen einen entsprechend hohen Lohn, dreimal nach Dresden. Hier arbeitete er, wie von ihm wiederholt gegenüber Koch betont wurde, jedes Mal angeblich ohne Unterlass daran, den Kurfürsten von der Liebe zur Gräfin Rochlitz abzubringen. Dabei sei es ihm schon gelungen zwei Teufel der Gräfin zu bannen. Nur den hartnäckigsten, Fränzel, konnte er nicht bezwingen. Darum musste er mit ihm eine Übereinkunft eingehen, ihn noch einige Zeit bei der Gräfin bleiben zu lassen. Erst wenn er einen der äußerst seltenen bayrischen schwarzen Pfennige beschafft habe, müsste auch Fränzel weichen. Mit einer derartigen Behauptung war der betrügerische Francke auf der sicheren Seite, warum sein für die Kurfürstin so teures Wirken zu überhaupt nichts geführt hatte. Dass er von ihr oder ihren Leuten in irgendeiner Weise ernsthaft zur Rechenschaft gezogen würde brauchte er sowieso nicht befürchten. Denn damit wäre Eleonore Erdmuthe Luise selbst bloßgestellt worden und Johann Georg hätte erst recht einen Grund gehabt, sich von ihr zu trennen.  

   Vor seiner letzten Abreise aus Dresden, wohl gegen Winterende 1694, führte Francke eine Prophezeiung über das Schicksal der handelnden Personen aus. Durch die zum Teil sicher aus verschiedenen Quellen erhaltenen geheimen Informationen zur Situation und mit viel Fantasie von seiner Seite traf er dabei genau das Richtige. So soll er unter anderem geweissagt haben, dass die Gräfin ihre Erhebung in den Fürstenstand betreibe, um sodann Kurfürstin werden zu können. Da sie Eleonore Erdmuthe Luise aus dem Wege haben wolle, dürfte die nicht allen Menschen trauen. Auch meinte Francke, dass Fränzel bald viel Verbitterung stiften würde. Für ihn war das ein Zeichen dafür, dass der dann mit der Gräfin in eine andere Welt fahren, sie also den Tod erleiden würde. Zuletzt äußerte er noch selbstsicher: „Man sollte ihn nur machen lassen, er wüsste alles wohl zu machen, und alle Menschen würden sich wundern über der Gräfin Abschied aus der Welt".

   Wie die ganze Angelegenheit immer dramatischere Formen annahm, um letztlich als Tragödie zu enden, lässt sich nachlesen in der Biografie von Hans-Joachim Böttcher: „Johann Georg IV. von Sachsen und Magdalena Sibylla von Neitschütz - Eine tödliche Liaison", die 2014 vom Dresdner Buchverlag veröffentlicht wurde.

*****

 

 

Bildquellen:

Eleonore von Sachsen-Eisenach, gemeinfrei 

Fotos von Hans-Joachim Böttcher
- Blick zum oberen Schloss in Greiz (kurz vor 1959)
- Dom und Severikirche in Erfurt.
- Das Erfurter Gildehaus.
- Die Krämerbrücke in Erfurt.
 

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