Beginnen wir mit einem Schild an einer Haustür in der Kirchgasse in Bergern: „Hier war Goethe nie."
Die Hausherren konnten nicht wissen, dass von Generation zu Generation in Bergern erzählt wird, dass der Geheimrat bei einem Besuch des Rittergutes im Jahr 1829 mit seinem Enkel Wolfgang eben diese Straße zu einem Spaziergang gemacht haben soll. Diese Aussage bestätigten Nachfahren der früheren Gutsbesitzerfamilie Duncklenberg anlässlich des 300jährigen Bestehens der Kirche im Jahre 1996.
Gewissheit, dass Goethe tatsächlich in Bergern weilte, brachten eine Reihe von Nachforschungen in den Jahren 1997 und 1998.
Das ist zum einen in dem Buch von Ernst Leißling, erschienen im Jahre 1966 im Greifenverlag Rudolstadt unter dem Titel „Das mittlere Ilmtal", nachzulesen. Dort ist ein Foto von Ernst Schäfer aus Weimar zu sehen, auf dem das sogenannte „Teehäuschen" im Park Bergern abgebildet ist mit der Bemerkung: „wo Goethe oft Einkehr hielt."
Besondere Verdienste um die Aufklärung des Sachverhaltes hat sich Dr. Konrad Kratsch aus Weimar erworben. Er war 30 Jahre lang Leiter der Auskunftsabteilung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. So schrieb er am 23. Juli 1997 an mich:
Im Tagebuch notierte Goethe unter dem 27. September 1829:
„Nach Bergern gefahren in anderthalb Stunden, bey einigem Aufenthalt unterwegs. Frau von Müller angetroffen und Fräulein Jacobi. Spazierte im Garten. Alsdenn zusammen gespeist. Wölfchen betrug sich sehr artig, welchem Frau von Müller allerley Späßchen vorwies und bereitete. Gegen 5 Uhr zurück. Waren in einer Stunde wieder zu Hause."
(WA III, 12; Seite 13)
An Kanzler von Müller schrieb Goethe wenige Tage später, am 11. Oktober 1829:
„[...] Nur drey schöne Tage habe ich diesem unfreundlichen Jahr abgewonnen: [...] den dritten nach Bergern, wo ich mich der hübschen häuslichen Einrichtung, der heitern weit umsichtigen Lage und manches sonstigen Schönen und Guten bey geneigter Bewirthung der Bewohnerinnen zu erfreuen hatte."
(WA IV, 46; Seite 99)
Es ist demnach doch mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß Goethe den 1828 erbauten Pavillon zumindest gesehen haben muß.
Weitere Nachforschungen von Dr. Kratsch dokumentierte er in einem weiteren Schreiben vom 25.7.19997:
Sehr geehrter Herr Müller,
im Nachtrag zu meinem Schreiben vom 23.d.M. kann ich Ihnen noch eine Quelle mitteilen, die nun doch eine Kenntnis und den Besuch des Pavillons durch Goethe beweist. Wilhelmine von Müller schrieb am 2. Oktober 1829 an ihren Mann, den Kanzler Friedrich von Müller über den Besuch Goethes in Bergern folgendes:
„Den 27. [September] als den Vorabend von den 28. [Frau von Müllers Geburtstag], welchen ich doch nicht gern erwähnt haben wollte, wer erschien da in Bergern ganz unerwartet? Goethe mit seinem Enkel Wolf, er brachte den ganzen Tag bei uns zu, ich kann Dir nicht genug sagen, wie liebenswürdig er war. Die größte Zeit des Tages war das Wetter sehr schön, und zu verwundern, da es tags vorhero gar nicht so war, wir gingen vor Tisch viel im Garten auf und ab, saßen auch in den Gartenhäuschen, es schien ihm sehr zu gefallen. [...]"
(Goethes Gespräche. Ein Sammlung zeitgenössischer Berichte aus seinem Umgang auf Grund der Ausgabe des Nachlasses von Flodoard Freiherrn von Biedermann ergänzt und herausgegeben von Wolfgang Herwig. Bd. 3, Teil 2 1825-1832. - Zürich, Stuttgart: Artemis-Verl. 1972. Nr. 6454, Seite 577.)
Zur Erklärung sei noch hinzugefügt, daß Wolfgang das Patenkind der von Müllers war.
Kanzler Friedrich von Müller hatte also ein enges freundschaftliches Verhältnis zu Goethe und war der damalige Besitzer des Rittergutes Bergern.
Heute kann man gleiches von der Klassik Stiftung Weimar und dem jetzigen Eigentümer, dem Thüringer Forstministerium nicht behaupten.
Der Gartensalon ist baulich in einem bedrohlichen Zustand, für dringende Reparaturarbeiten ist niemand zuständig und wie immer fehlt dafür das Geld.
Vielleicht erreicht dieser Hilferuf die Verantwortlichen. Möglich ist auch ein Engagement des Matt-Lamb-Fördervereins der „Kirche zum Kripplein Christi" Bergern, um Besuchern der von dem amerikanischen Maler Matt Lamb ausgemalten Kirche die Möglichkeit eines Besuches der Goethe-Gedächtnisstätte zu ermöglichen. Das Beispiel der Restaurierung dieser kleinen Kirche durch Mittel der Sparkassenstiftung und der Mitarbeit vieler Bürger könnte für das Goethehäuschen eventuell auch möglich sein.
Es gibt vermutlich keinen weiteren Ort, wo Klassik und Moderne so eng beieinander liegen.
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Bildquellen: Ernst Leißling: Das mittlere Ilmtal. Rudolstadt 1966, S. 157.
© Wolfgang Müller